Der jetzt vom Wuppertal Institut veröffentlichte Zukunftsimpuls "Suffizienzpolitik als Booster zum Erreichen der Klimaschutzziele" unterstützt die Aussagen unserer Aktion. Der Impuls zeigt mit Blick auf die Bundesebene, dass Effizienz und Konsistenz, also der Übergang zu umweltschonenden Technologien, unter Beibehaltung heutiger Umsetzungsgeschwindigkeiten nicht ausreichen, um die Klimaschutzziele der Bundesregierung umzusetzen. Unterstützend wirken kann hier eine dritte Komponente: Suffizienz. Sie ermöglicht durch eine absolute Reduktion von Konsum- und Produktionsniveaus in vielen Bereichen eine deutliche Reduzierung der Ressourcen- und Energieverbräuche – und damit auch der Emissionen. "Mit Suffizienzpolitik ist sehr viel mehr möglich als bisher angenommen, wenn sie beherzt angegangen wird, die passenden Rahmenbedingungen gesetzt werden und alle Sektoren ihren Beitrag leisten. Werden die enormen bestehenden Suffizienzpotenziale und deren Umsetzungsmöglichkeiten schnell in den Blick genommen, erhöhen sich die Chancen, die Klimaschutzziele noch erreichen zu können", sagt Prof. Dr.-Ing. Manfred Fischedick, Präsident und wissenschaftlicher Geschäftsführer des Wuppertal Instituts.
Konkrete Maßnahmen für Konsum, Gebäude, Verkehr, Kreislaufwirtschaft und Energie
Im Impulspapier formulieren die Forschenden des Wuppertal Instituts jeweils fünf Maßnahmen für die Bereiche Konsum, Gebäude, Verkehr, Kreislaufwirtschaft und Energie in Deutschland. Dabei setzen die Autor*innen auf Synergien und Multi-Solving-Strategien: "Fast alle Maßnahmen zahlen nicht nur auf die übergeordneten Ziele des Klima- und Ressourcenschutzes ein, sie beeinflussen sich oft auch untereinander positiv”, erklärt Dr. Benjamin Best, Senior Researcher im Forschungsbereich Strukturwandel und Innovation am Wuppertal Institut und Mitautor des Zukunftsimpulses, und ergänzt: “Mit dem passenden Konzept senkt Energiesuffizienz beispielsweise nicht nur die CO2-Emissionen, sondern auch die Gesamtmenge der benötigten Energie, den Ausbaubedarf bei Energieinfrastrukturen und die Kosten für die Konsument*innen."
Suffizienz führte lange ein Schattendasein – das ändert sich gerade
Bisher haben die Mitgliedsländer der EU sehr wenige Suffizienz-Maßnahmen in ihren Energie- und Klimaschutzplänen berücksichtigt. Erst seit dem Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine und der darauf folgenden Preisexplosion bei Energieträgern erfolgt eine intensivere Diskussion über die Rolle von Suffizienz. Die verhaltensbedingte Reduktion des Energieverbrauchs, beispielsweise für das Heizen, hat wesentlich dazu beigetragen, dass es im letzten Winter zu keiner physischen Verknappung von Energie gekommen ist. Mittlerweile sind Suffizienz-Maßnahmen – etwa die Reduktion der durchschnittlichen Wohnflächen oder der pro Kopf zurückgelegten Wegstrecken – immer häufiger wichtige Lösungsoptionen in Energieszenarien, zum Beispiel beim Umweltbundesamt. Der Weltklimarat hat Suffizienz inzwischen sogar als entscheidende Strategie zum Erreichen der Klimaziele anerkannt.
Auffällig ist auch, dass EU-Bürger*innenräte deutlich stärker auf Suffizienz setzen, als bisher in den Nationalen Energie- und Klimaschutzplänen vorgesehen: Die Vorschläge der Räte bestehen zu 39 Prozent aus Suffizienz-Maßnahmen, in den Nationalen Energie- und Klimaschutzplänen sind es lediglich acht Prozent. Das gleiche gilt für vermeintlich unpopuläre ordnungspolitische Maßnahmen: Umfragen zeigen beispielsweise, dass 71 Prozent der Deutschen ein Tempolimit auf Autobahnen befürworten. Dazu Fischedick: "Die Bürger*innen sind zu viel mehr bereit, als man ihnen zutraut – wenn man ihnen den privaten und gesellschaftlichen Nutzen veränderten Verhaltens gut erklärt. Die Politik sollte dies zum Anlass nehmen, den Mut für die Umsetzung kluger Suffizienzpolitik aufzubringen, die nachhaltiges Verhalten ermöglicht. Die gute Nachricht: Die meisten Wähler*innen wollen es!"
Das Impulspapier kann auf der Website des Wuppertal Instituts heruntergeladen werden.