Anlässlich der 27. Weltklimakonferenz, die seit gestern (6. November 2022) im ägyptischen Scharm el-Scheich stattfindet, erklärt Weihbischof Rolf Lohmann (Münster), der in der Deutschen Bischofskonferenz für Umwelt- und Klimafragen zuständig und Vorsitzender der Arbeitsgruppe für ökologische Fragen der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen ist:
„Die internationale Klimapolitik durchlebt eine schwierige Zeit. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und der dadurch verursachten Energiekrise ist der Klimaschutz in vielen Ländern nicht nur ins Stocken, sondern ins Spannungsfeld der Geopolitik geraten. Weltweit nehmen die Emissionen von Treibhausgasen weiterhin stetig zu. Nur wenige Länder haben seit der letzten Weltklimakonferenz zusätzliche Zusagen gemacht, ihre Emissionen in Zukunft zu reduzieren. Um die Energiekrise zu bewältigen, nehmen gerade wir in Deutschland zusätzliche ökologische Schulden auf, wenn wir Kohlekraftwerke reaktivieren und mehr Flüssiggas importieren. Wie Klima-Diplomatie funktionieren soll, wenn sich wichtige Akteure in einem Krieg, andere in einer diplomatischen Eiszeit befinden, ist nur schwer zu erkennen. Jedoch sollten wir an der Aussage von Papst Franziskus in seiner Enzyklika Laudato si’ (2015) festhalten, dass die Menschheit die Fähigkeit besitzt, zusammenzuarbeiten, und wir sollten uns an die politischen Entscheider wenden, gemeinsam Verantwortung zu übernehmen und Lösungen für alle zu finden. Denn klar ist: Es ist zu kurz gesprungen, wenn jeder nur an sich denkt – der Kampf gegen den Klimawandel ist eine Frage des Überlebens der Menschheit, unsere gemeinsame Aufgabe und ein Gebot der Solidarität! Das Thema ist von existenzieller Bedeutung für die ganze Welt; das machen die bereits spürbaren, teils katastrophalen Folgen mehr als deutlich.
Unter diesen Vorzeichen kommen die Staaten der Welt in Ägypten zur Weltklimakonferenz zusammen. Die Erwartungen sind nicht bescheiden: So sollen sich die Länder ehrgeizigere Klimaziele vornehmen und sie entschieden umsetzen, um die Erderwärmung auf das im Pariser Abkommen vereinbarte 1,5-Grad-Ziel zu begrenzen. In der internationalen Klimafinanzierung sollen Entwicklungsländer höhere Zusagen bekommen und auch angemessene Unterstützung für die Bewältigung ihrer klimabedingten Schäden und Verluste erhalten. Chancen könnten sich indes daraus ergeben, dass die Konferenz auf dem afrikanischen Kontinent stattfindet und möglicherweise die Perspektive des Globalen Südens vor Ort dadurch noch wirksamer eingebracht werden kann.
Die Lage ist ernst, aber nicht aussichtslos. Ich warne vor Fatalismus und Hoffnungslosigkeit und möchte dazu ermuntern, die positiven Signale zu sehen und sie aufzugreifen. Lernen wir nicht gerade in der Energiekrise, an manchen Stellen zu sparen oder zu verzichten? Auch viele Kirchen werden diesen Winter weniger geheizt. So entsteht ein neues Energiebewusstsein, das mittel- und langfristig dem Klimaschutz nutzen kann. Als eine Lehre gerade aus der aktuellen Situation müssen wir schneller als zuvor die erneuerbaren Energien ausbauen und die Elektrifizierung vorantreiben. Das ist gut für das Klima und macht uns vom Import teurer fossiler Rohstoffe unabhängiger. Deutschland steht dabei international unter besonderer Beobachtung. Wir können als reiches Industrieland Vorreiter sein und zeigen, dass eine sozial-ökologische Transformation möglich ist, die die breite Gesellschaft mitnimmt; die dafür nötigen Mittel und das Wissen haben wir. Damit keinerlei Zweifel aufkommt: Es ist absolut richtig und wichtig, dass wir weiterhin Verantwortung wahrnehmen für die Schöpfung, die uns Gott, unser Schöpfer, überlassen und anvertraut hat. Ob Teilnehmender und Entscheidungsträger bei der Weltklimakonferenz oder nicht: Lassen wir uns nicht entmutigen, handeln wir entschlossen und werden wir unserer Verantwortung gerecht!“