Mit der Taxonomie definiert die EU-Kommission die Wirtschaftsaktivitäten, die bei der Gestaltung von Finanzinstrumenten als nachhaltig klassifiziert werden können. Das Ziel des Klassifizierungssystems war ursprünglich, mit diesen Definitionen Greenwashing zu verhindern. In einem zusätzlichen Rechtsakt hat die Kommission Anfang 2022 bestimmte Formen von Gas- und Atomkraft als nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten eingestuft. Damit ist es möglich, dass taxonomiekonforme Investitionen künftig Atomkraft und Gaskraftwerke finanzieren.
Die kirchlichen Hilfswerke, aber auch der Arbeitskreis kirchlicher Investoren (AKI) haben den Vorstoß der EU Kommission im März kritisiert.
Für den AKI sind Atomkraft und Erdgas keine nachhaltigen Wirtschaftsaktivitäten. Fossiles Gas ist eine Brückentechnologie, die aktuell noch nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Als Brückentechnologie ist Gaskraft jedoch per Definition nicht nachhaltig. Atomkraftwerke können grundsätzlich nicht betrieben werden, ohne das Umweltziel der Kreislaufwirtschaft zu verletzen. Nicht zu vernachlässigen sind auch die Schäden für die sozialen Nachhaltigkeitsziele, wenn die massive Verletzung von Menschenrechten bei der Förderung von Uran und Gas hingenommen wird.
Mit der Einstufung von Gas- und Atomkraft als nachhaltig stelle sich die EU-Kommission gegen die wissenschaftsbasierten Kriterien ihrer eigenen Beratungsgremien und stellt die Glaubwürdigkeit des Europäischen Green Deal in Frage. Der AKI sieht das größte Problem darin, dass für Nachhaltigkeit bestimmte Finanzmittel künftig in Technologien von gestern fließen, anstatt wie beabsichtigt in generationengerechte Wirtschaftsaktivitäten. Diese Fehlsteuerung gefährdet die dringend notwendige Finanzierung der sozial-ökologischen Transformation.
Die kirchlichen Hilfswerke "Brot für die Welt" und "Misereor" haben in der aktuellen Debatte vor zusätzlichen Konflikten in Entwicklungsländern gewarnt. Vor dem Hintergrund massiver Menschenrechtsverletzungen bei der Förderung von Uran und Gas dürften Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke im Taxonomie-Regelwerk der EU nicht mit einem grünen Anstrich versehen werden. Die Folgen solcher Entscheidungen träfen die Menschen, die schon heute am stärksten von den Folgen des Klimawandels wie Dürren und Überflutungen betroffen seien. Die Jagd nach fossilen und nuklearen Brennstoffen zu Lasten der lokalen Bevölkerung verschärften Konflikte um Landrechte und Ressourcen.
Das Europaparlament entscheidet über die EU-Taxonomie in der ersten Juliwoche. In einer gemeinsamen Sitzung Wirtschafts-und des Umweltausschusses am 14. Juni wird es eine erste Abstimmung geben, die als Stimmungstest gesehen wird. Es wird eine knappe Entscheidung im Plenum im Juli erwartet.
Zivilgesellschaftliche Organisationen, aber auch Investorengruppen und Fachleute sprechen sich klar gegen eine Aufnahme von Gas und Atomkraft in die EU-Taxonomie aus. Für Banken und Investoren, die in grüne Aktivitäten investieren wollen, verliert der Plan der EU-Kommission an Glaubwürdigkeit und stellt den gesamten Nutzen der Taxonomie in Frage.
Es gibt noch eine Chance, die grundsätzlich gute Idee der Taxonomie zu retten. Die größte Gruppe der Europaabgeordneten stammt aus Deutschland, von denen viele noch unentschlossen sind. Mit einer Protestaktion des WWF können Sie Ihrem Abgeordneten zeigen, dass viele Menschen mit dem Vorschlag der EU-Kommission nicht einverstanden sind. Die Aktion finden Sie hier.