Investitionen in Gas und Atomkraft sind unter bestimmten Bedingungen nachhaltig. Das hat das EU-Parlament am Mittwoch in Straßburg entschieden. Die Abgeordneten sind damit einem Vorschlag der EU-Kommission gefolgt.
Die Europäische Union kategorisiert Finanzprodukte im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit. Mit dieser Taxonomie soll Greenwashing vermieden und gleichzeitig förderwürdige Empfehlungen ausgesprochen werden. Geld soll dadurch vor allem in umwelt- und klimafreundliche Wirtschaftsbereiche fließen.
Nach der Abstimmung im EU-Parlament ist die Kritik jedoch groß. Gegenüber PRO drückte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ihr Bedauern aus. Die Entscheidung setze das „falsche Signal“ und unterlaufe die Glaubwürdigkeit des Klassifizierungsverfahrens. Ethisch-nachhaltig orientierte Anleger könnten sich zukünftig nicht mehr darauf verlassen, dass ihre taxonomiekonformen Investitionen auch ihren Zielen entsprechen. Aus diesen Gründen hat sich auch der Arbeitskreis kirchlicher Investoren (AKI) gegen die Entscheidung des Parlaments ausgesprochen. Laut EKD ist nun die „dringend notwendige Finanzierung der ökologischen Transformation“ gefährdet.
Widerspruch zu christlichen Werten
Christians for Future (CF4), ein Ableger von Fridays for Future, bezeichnete die Entscheidung als „katastrophal“. Die Klassifizierung von Gas und Atomkraft als nachhaltig schade sowohl „durch Menschenrechtsverletzungen bei Projekten als auch durch die Auswirkungen der Klimakrise“ Menschen im globalen Süden. Benachteiligten Menschen zu schaden und die Klimakrise zu befeuern, widerspreche „grundsätzlich“ christlichen Werten.
Wegen des Krieges in der Ukraine und der damit verbundenen Knappheit der Energieressourcen sieht Ulrich Mang, Referent für Sozial-Missionarische Arbeit beim Verband „Entschieden für Christus“, die EU in einer Zwickmühle. Die „Nachhaltigkeitsmachung von Gas- und Atomkraft wird nur akut helfen, die Zeche dafür zahlen andere.“ Denn bei genauerem Hinsehen werde deutlich, dass „gezwungenermaßen Natur und Mensch gegeneinander ausgespielt werden.“ Mang befürchtet, dass nun Bemühungen, Alternativen zu Gas und Atomkraft zu entwickeln, um Jahre zurückgeworfen werden.
Bereits im Vorfeld äußerten christliche Organisationen ihre Befürchtungen. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) erklärte, die neue Einstufung wäre kein ethisch-nachhaltiges Investment. Zudem fehlten bei der Taxonomie neben den ökologischen auch soziale Kriterien. Für kirchliche Anleger seien jedoch ebenfalls sozial nachhaltige Fragestellungen relevant.
Der Co-Direktor des Nachhaltigkeitszentrums der Weltweiten Evangelischen Allianz (WEASC), Matthias Böhning, warnte ebenfalls im Vorfeld vor den Signalen, die an institutionelle und private Anleger gesendet werden würde. Die EU müsse sich fragen, ob sie mit der neuen Taxonomie nicht ihre eigenen Klimaziele untergrabe.